Reinhard Weiß - Anleitung |
RJ45-Stecker von Schwaiger: unbrauchbar oder genial? |
Man wird wahrscheinlich nur selten in die Verlegenheit kommen, ein Patchkabel mit RJ45-Steckern selber herzustellen, denn sie kosten nicht viel. Jedenfalls wenn es Standard-Kabel sind. Aber bei Spezialkabeln (etwa kombiniert mit USB) könnte man vielleicht auch viel Geld sparen. In manchen Fällen geht es aber auch nicht anders, etwa wenn man eine andere Belegung braucht oder falls man ein Kabel in einer bestehenden Installation "anzapfen" muss, um z.B. einen Switch zwischenzuschalten. Allerdings muss man bei den Steckern darauf achten, dass sie zu dem benutzen Kabel passen. Denn die Adern sogenannter Verlegekabel sind aus Volldraht (meist AWG22 bzw. 0,6 mm), während typische Patchkabel aus flexiblen Leitungen bestehen (etwa AWG 26/7 bzw. 0,14 mm²). Die normalen RJ45-Stecker sind nur für die Patchkabel geeignet.
RJ45-Stecker gibt es sogar in Baumärkten. Hier sind es vielfach die von Schwaiger, eine traditionsreiche Firma, die ein ganzes Sortiment von Zubehörteilen für Satellitenempfangs- und Antennentechnik anbietet. Deren CAT.6 Netzwerkstecker der Serie NWST0 (NWST04 bzw. NWST310) sind jedoch wieder einmal ein gutes Beispiel dafür, dass manche Firmen unfähig sind, die Vorteile ihrer Produkte für Kunden verständlich zu machen und es ihnen zu erleichtern, sie auszuwählen und einzusetzen. Dazu würde in diesem Fall beispielsweise eine hilfreiche Montageanleitung gehören. Leider liefert Schwaiger hierzu keine mit bzw. eine falsche, mit der man nicht zum Ziel kommt.
Denn der NWST0x (Bild links) ist äußerlich zwar sehr ähnlich den anderen üblichen Steckern dieser Art, aber im Detail gibt es ganz wichtige Stolperstellen, die von der Firma nicht thematisiert werden. Die auf der Verpackung aufgebrachte Skizze (Bild rechts) ist wie die gleichartige im Datenblatt schwer verständlich, unvollständig und vor allem falsch. Sie wurde offenbar von einem anderen Stecker aus dem Programm kopiert, der anders aufgebaut ist. Würde man es so machen wie gezeigt, wäre der gecrimpte Stecker Schrott. Ich beschreibe nachfolgend, wie man es richtig macht.
Demzufolge liest man vielfach vernichtende Urteile zu den Steckern von unzufriedenen Käufern. Ein ziemlich baugleicher Stecker ist der MP0004 von LogiLink (auch bei Conrad unter 992406 bzw. Völkner R05178). Der hat genau die gleichen Probleme und die Anwender schimpfen genauso. Erstaunlich ist dabei die große Bandbreite der Erfahrungen: während einige gut zurecht kommen, sind die meisten verärgert und frustriert.
Andererseits erscheint der Support der Firma Schwaiger überraschend hilfsbereit, weil man auf Anfrage detaillierte Informationen bekommt. Neben einigen Hinweisen und vielen Fotos wird auch ein Video zur Verfügung gestellt, das (fast) alles gut beschreibt. Jedoch muss man dabei auf wichtige Details achten, die leicht übersehen werden. Das Video veranschaulicht auch nur die Grundfunktion, während hingegen die Kontaktierung des Schirms nicht gezeigt wird, auch Knickschutz und Zugentlastung sind dabei nicht vorgesehen. In sofern muss man noch etwas anders vorgehen.
Bei den meisten RJ45-Steckern dieser Art muss man die Adern in eine Einfädelhilfe (Kamm) sortiert einstecken und vorsichtig in den Stecker schieben, sodass die Adern genau unter den Kontakten zu liegen kommen. Die genaue Positionierung jeder Ader wird durch kleine Führungskanäle im Stecker im Bereich unter den Kontakten bewerkstelligt (Bild links). Die Einfädelhilfe hingegen bleibt vor den Kontakten zurück. Bei vielen anderen Steckern wird kein Kamm mitgeliefert und man muss die Adern selber in die Führungskanäle einfädeln.
Zum Einschieben in den Stecker müssen die sortierten Adern einige mm über die Einfädelhilfe hinaus vorstehen (Bild links), damit sie vollständig unter die Kontakte geschoben werden können. So ist es auch in der Skizze auf der Verpackungsrückseite von Schwaiger dargestellt (Bild oben rechts). Dumm nur, dass das bei dem Stecker von Schwaiger gar nicht passt.
Denn bei diesem Stecker ist es ganz anders, das ist die 1. Stolperstelle: Wenn man in den Stecker von hinten hinein sieht (linkes Bild unten), erkennt man unter den Kontakten einen ziemlich großen Luftraum; dies sieht man auch von vorn (mittleres Bild unten). Führungskanäle für die Adern wie bei anderen Steckern gibt es nicht. Rechts daneben die mitgelieferte Einfädelhilfe.
< von hinten < von vorn < Einfädelhilfe
Wie der Stecker innen aussieht, erkennt man im linken Bild. Die Adern werden in die Einfädelhilfe ("Käfig") eingesteckt, und diese mitsamt den Adern ganz nach vorn geschoben. Der Käfig sorgt dafür, dass die Positionierung genau zu den Kontakten passt. Wie lang die freigelegten Adern gelassen werden, ist nicht kritisch, sie sollten nur möglichst kurz bleiben, damit der (geschirmte) Mantel möglichst weit in den Stecker geführt werden kann. Zu beachten ist außerdem, dass der Kragen der Einfädelhilfe zu den Kontakten zeigt.
Anders als im ersten Beispiel dürfen hier die Adern beim Einführen in den Stecker also nicht aus der Einfädelhilfe herausschauen...
...sondern müssen bündig an der Einfädelhilfe abgeschnitten werden:
< abgeschnitten < in Stecker eingeschoben
Es wird von Schwaiger noch ein zusätzlicher Halter mitgeliefert, der rechts im nachfolgenden Bild zu sehen ist. Mit seinen 4 Aussparungen für die Paare soll er eine Hilfe beim Sortieren der Adern bieten, und auch den Abstand der Paare besser fixieren, was die elektrischen Eigenschaften möglicherweise verbessern könnte. Er wird hinter der Einfädelhilfe platziert wie im Bild daneben zu sehen ist.
Allerdings behindert dieser Halter die Einführung des Kabelmantels in den Stecker. Denn der muss soweit eingeschoben werden, dass die Sperrklinke im Steckergehäuse den Mantel gut erfasst, um eine wirksame Zugentlastung zu ermöglichen. Dazu müssten beide Halterteile sehr eng zusammengeschoben und möglichst weit zum Mantel zurück geschoben werden, bevor die Adern gekürzt werden. Weil das vor allem bei einem geschirmten Kabel ziemlich diffizil ist (es ist zu eng), kann man den Zusatzhalter auch einfach weglassen.
Die zweite Besonderheit dieses Steckers ist die Ausführung der Einfädelhilfe (Käfig). Sie hat im Inneren Führungsnuten für die Positionierung der Adern (wie beim Kamm). Auf der Oberseite (dort wo der Kragen ist) sind Schlitze vorhanden, durch die hindurch beim Crimpen die Kontakte in die Kupfer-Adern stoßen können. Und das ist die 2. Stolperstelle: Die Einfädelhilfe hat die Schlitze nur auf einer Seite (da wo der Kragen ist). Beachtet man beim Einschieben der Adern dies nicht und hat stattdessen die geschlossene (Rück-)Seite an den Kontakten, müssten die Kontakte durch die Einfädelhilfe hindurch gepresst werden, was nicht geht, zumal die Adern dann sogar auch noch nach unten in die Schlitze ausweichen würden. Damit ist die Crimpung fehlerhaft oder unmöglich. Von dieser notwendigen Bedingung steht nirgendwo etwas. Man wundert sich nur, dass die Crimpung nicht funktioniert.
Wenn man diese Hinweise aber beachtet, ist der Vorteil dieser Montage überzeugend: Beim Einschieben der Adern mitsamt Einfädelhilfe in den Stecker ist zunächst keinerlei Kraft erforderlich, nur zum Einführen des Kabelmantels muss man etwas Druck anwenden (und den Mantel etwas quetschen). Da die Adern unbelastet bleiben, können sie sich beim Einführen auch nicht mehr verwursteln oder verbiegen, wie das bei anderen Stecken passieren kann. Da es keine Führungskanäle im Stecker gibt, können die Adern beim Einschieben auch nicht klemmen oder sich gar verschieben. In sofern ist dieser Stecker recht sicher konfektionierbar. Und wenn er auch noch eine Erdungsfahne als Zugentlastung und Schirmkontaktierung hätte, wäre er sogar ziemlich genial.
Die detaillierte Vorgehensweise bei der Montage dieses Steckers mit einem geschirmten Kabel (S/FTP) ist daher folgendermaßen:
Einen ganz ähnlichen Stecker nach demselben Prinzip gibt es bei Pollin unter Bestell-Nr. 541303 (verschiedene Farben), und der ist deutlich billiger. Zudem ist die Kontaktierung des Schirmgeflechts besser gestaltet (großflächiger).
Eine Alternative zu der bei Schwaiger benutzten Einfädelhilfe (Käfig) sind auch Stecker mit der PassThrough-Technik (Beispiel): Hierbei werden die Adern sehr lang (z.B. 30-50 mm) freigelegt, was das Einfädeln in die Führungskanäle im Stecker erleichtert (ein eigener Kamm wird nicht benötigt). Beim Einschieben in den Stecker werden die Adern jedoch durch Öffnungen vorn am Stecker hindurchgeschoben und schauen vorn raus. Dadurch kann der Mantel (Schirm) sehr weit in den Stecker eingeschoben werden, was elektrisch günstig ist. Die überstehenden Adern können danach leicht abgeschnitten werden. Vor dem Crimpen sollte das Kabel wieder etwa 0,5 mm zurück gezogen werden (ggf. mit einem 1 mm Bohrerschaft nachhelfen), damit die Litzenenden keinen Kurzschluss machen können.
Links
(erstellt 19.04.2021, zuletzt geändert 07.05.2021)
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© Reinhard Weiß 2021 - letzte Änderung: 12.10.2021 19:44 / 3