Reinhard Weiß - Erfahrungsbericht

Energiekosten-Messgeräte Voltcraft SEM6000/SEM6500

Überblick

Wichtiges Unterscheidungsmerkmal bei den angebotenen Steckdosen-Messgeräten zur Energie- und Kostenmessung sind möglichst große Auflösung (z.B. 1 W bzw. 1 Wh) und Effektivwertmessung (TRMS), was nicht immer von allen Systemen klar benannt wird, aber Standard sein sollte. Die hohe Auflösung (mit akzeptabler Genauigkeit) wäre hilfreich zur Überwachung von StandBy-Verbräuchen, die Effektivwertmessung ist fundamental, wenn es um die Kosten des Energieverbrauchs geht. Anders als Geräte mit eigenem Display gehören die Conrad-Geräte SEM6000 und SEM6500 zu solchen mit eigener App, was prinzipiell mehr Funktionen und eine ferngesteuerte Handhabung ermöglicht, insbesondere auch Aufzeichnungen und Darstellungen über einen längeren Zeitraum. Eine hilfreiche Übertragung der Messprotokolle zur Weiterverabeitung auf dem PC ist bei den Conrad-Geräten vorhanden.

Das SEM6000 hat eine Bluetooth-Schnittstelle (BT), wobei die Aufzeichnung auch ohne Kontakt weiter läuft und erst beim Kontakt mit dem Smartphone die Daten übertragen werden. Der Vorteil ist, dass keine Datenübertragung zu einem externen Server nötig ist. Andererseits ist die Reichweite doch recht eingeschränkt, wenn etwa die zu überwachenden Geräte im Keller stehen und man das Smartphone bequem vom Sessel im Wohnzimmer aus bedienen möchte. Wenn der BT-Kontakt abreißt und wieder aufgebaut werden muss, geht das leider nicht ohne Zutun, wozu man das Gerät wieder suchen lassen und manchmal sogar BT am Smartphone aus- und wieder einschalten muss. Das ist wenig praxisfreundlich.

Beim SEM6500 mit WiFi (WLAN) ist das bequemer gelöst. Nachdem WLAN eingerichtet ist, wird der Kontakt immer selbsttätig aufgebaut, sobald man in den Bereich des Routers oder Access-Points gelangt. Offenbar läuft die Kommunikation aber nicht direkt von Adapter zum Smartphone, sondern immer über den Server von Tuya, wo man ein Nutzerkonto einrichten muss. Einerseits ist damit eine Kontrolle auch außerhalb der WLAN-Reichweite möglich, andererseits geht nichts ohne Tuya. Wenn einmal die Server down sind, geht nichts mehr. Von Aspekten zur Datensicherheit und -sparsamkeit gar nicht zu reden.

Die technischen Daten (*lt. Hersteller) und andere Eigenschaften

Von Conrad werden zeitweise (2022) Sondereditionen anlässlich 40 Jahre Voltcraft angeboten (Version SE). Welche technischen Unterschiede es dabei gibt, ist nicht einmal dem Service bekannt. Vermutlich sind es nur die Sonderpreise (was aber nicht zwangsläufig bedeutet, dass die SE-Versionen immer billiger sind, hier muss man Lieferbarkeit und Preis immer gesondert abfragen, was sich täglich ändern kann; obige Angaben sind mit Stand von 10/2022). Der "Karton-Aufdruck" bezieht sich auf die von mir gekauften Artikel zur eindeutigen Identifikation.

Beim SEM6000 habe ich die meisten Untersuchungen mit der FW 1.16 gemacht, sofern im Text nicht auf 1.2 verwiesen wird.

Die angebotenen Apps sind bei beiden Geräten sehr ähnlich, einige Elemente, Menüpunkte und Anzeigen sind nahezu identisch, jedoch gibt es unnötigerweise nicht nur optische Unterschiede. Auch manche Funktionen arbeiten unterschiedlich, obwohl ja die Aufgabe bei beiden Geräten identisch ist. Das größte Problem sehe ich in der ungenügenden Bedienungsanleitung. Es wird zwar eine gedruckte Anleitung mitgeliefert, die aber nur grundlegende Funktionen beschreibt. Viele Handhabungsschritte und Eigenschaften muss man erst umständlich ausprobieren und manches wird erst durch Zufall entdeckt.

Die App Voltcraft SEM6000

Die App Smart Life/Smart Living (SEM6500)

Die praktische Handhabung

Beide Voltcraft-Systeme messen die momentane Wirkleistung (W), die Scheinleistung (VA), den Strom (A) und die Netzspannung (V) und in einem Summenzähler die verbrauchten kWh. Auch die Kosten werden angezeigt, sowie der (theoretische) CO2-Ausstoß. Daneben können die täglichen, wöchentlichen, monatlichen oder jährlichen Verbräuche ausgegeben und formatiert z.B. als eMail auf den PC gesendet werden. Wenn der Kontakt zur App unterbrochen war, werden nach Herstellung der Verbindung die Daten aktualisiert. Allerdings geschieht die Aktualisierung nicht immer automatisch. Wenn man sicher gehen will, muss man z.B. von Power/Strom auf Energy/Energie und umgekehrt oder auf eine andere Anzeigefunktion umschalten.

Besonderheiten/Erkenntnisse beim SEM6000

• Das Tagesintervall wird fortlaufend aktualisiert, die Intervallzeit ist offenbar der Beginn eine Stundenintervalls (anders als beim SEM6500).
• Zum Löschen der Historie muss man unter dem Punkt "Werkseinstellungen" suchen und "alle Daten löschen" auswählen. Dabei wird auch der Gesamtzähler (kWh) gelöscht.
• Beim Abstecken des Adapters von der Steckdose wird anscheinend nichts gelöscht, die Historie bleibt wohl erhalten, nur der Gesamtverbrauch wird rückgesetzt oder verändert (Zufallsereignis).
• Um die Daten auf der Seite Strom zu aktualisieren, muss man aktiv eingreifen, etwa umschalten zu Energie und zurück. Nur die Wattage ist aktuell.
• Die Strom- und Wattageanzeige kann beim Ein-/Ausschalten eines angeschlossenen Geräts etliche Sekunden verzögert erfolgen.
• Einstellungen in der App sind möglich über das Zahnrad- und das Stiftsymbol auf der Startseite, und wenn man lang auf den Namen des aktuellen Geräts drückt.
• Der CO2-Ausstoß kann nicht variiert bzw. kalibriert werden, die Anzeige ist damit nutzlos.
• Ein Schukostecker geht extrem schwer aus der Steckdose das Adapters.

Erkannte Fehler/Fehlfunktionen beim SEM6000

• Die Konsistenz der Anzeigen/Daten ist fehlerhaft. Z.B. zeigt die App auf Seite Strom manchmal bei einem Leistungsfaktor von 1,000 als Leistung 62,474 W, aber als Scheinleistung 62,331 VA an (statt dass sie gleich wären). Andere Beispiele: 7,6 W zu 5,0 VA, 61,8 W zu 62,7 VA.
• Manchmal wird für 2 sec eine hohe Last (2000 kW) angezeigt, obwohl sich der Adapter im Leerlauf befindet.
• Im Ruhezustand (Leerlauf) fließt manchmal ein Reststrom (Phantomstrom) von 22 bzw. 33 mA (5 VA, Leistungfaktor 0, Leistung 0 W).
• Manchmal wird eine Wattage angezeigt, obwohl kein Strom fließt bzw. angezeigt wird (z.B. 0,9 W, 1,0 W, 0,85 W).
• Mit FW-Version 1.2: Schließt man ein Nachtlicht an (mit 0,7 W oder 1,7 W), wird die Leistung (W) zwar korrekt angezeigt, aber kein Strom (A).
• Manchmal ist die Zeitskale bei Energie/Tag um 1 Stunde verschoben (die Zuordnung zur Energie im Intervall) und springt kurz darauf wieder zurück.
• Der Gesamtenergieverbrauch (kWh, Seite Strom) verringert sich manchmal beim kurzen Aus-/Einstecken, manchmal fehlt auch der letzte Stundenwert.

Besonderheiten/Erkenntnisse beim SEM6500

• Das Tagesintervall scheint nur am Intervallende aktualisiert zu werden, die Intervallzeit ist offenbar das Ende eines Stundenintervalls (anders als beim SEM6000).
• Der Gesamtzähler auf der Seite Power kann nicht gelöscht werden (was problematisch ist, weil bei hohen Werten die Auflösung geringer als 1 W wird); Tuya meint, man solle zum Löschen des Gesamtzählers einfach auf Werkseinstellungen rücksetzen.
• Die Stufung der History Messwerte ist bei > 100 Wh im Stunden-Intervall nur noch 100 Wh (statt 1 Wh). Sobald ein Stundenintervall < 100 Wh hat, wird dieses Intervall wieder auf 1 Wh Auflösung umgeschaltet.
• Die Übertragung der Daten erfolgt laut Tuya einmal pro Stunde (wahrscheinlich bezogen nur auf die Historie). Eine Datenanzeige der aktuellen Werte wird über Algorithmen gesteuert, um zu häufige Übertragungen zu vermeiden. Z.B. erfolgt die Übertragung nur, wenn der Strom oder die Leistung sich um 10 % ändert, oder die Spannung um 2 %. Leistungen unter 3 W werden angeblich nicht gemeldet (was nicht stimmen kann, weil ich Messreihen auch mit 1,6 W vorgenommen hatte). Leistungen werden in kurzen (5 sec) oder langen Abständen (30 sec) gemeldet, je nachdem, wie und ob Änderungen festgestellt werden. Wenn "nie Änderungen" erkannt werden, kann die Meldezeit 30 Min betragen. Quelle, weitere Algorithmen.
• Tuya behauptet, nur das in der App wiederzugeben, was der Adapter meldet. Eine besondere Funktionalität habe die App ansonsten nicht.
• Ein Schukostecker geht extrem schwer aus der Steckdose das Adapters.

Erkannte Fehler/Fehlfunktionen beim SEM6500

• Obwohl die Stundenintervalle eigentlich feste Werte beinhalten, die sich nicht mehr ändern sollten, habe ich manchmal bemerkt, dass ein zurückliegendes Intervall bei der Historie (Tag) nachträglich verändert wurde, oder auch wieder ganz verschwindet.
• Im Leerlauf werden mehrfach Leistungen von etwa 0,6 W angezeigt (Phantomwerte), die gar nicht existieren.
• Manchmal fehlen Intervall-Balken bei der Historie. Bei einer Messreihe mit 1,6 W hätte laut Tuya gar kein Wert übertragen werden dürfen, jedoch waren einzelne Balken sehr wohl da, und die Gesamtsumme hat auch gestimmt. Der Fehler mit fehlenden Balken tritt aber auch bei größeren Leistungen auf.
• Es gibt eine Inkonsistenz zwischen angezeigten Historienwerten und der Gesamtsumme (die meist stimmt). Der Fehler tritt u.a. beim Umschalten zwischen Day und Week auf.
• Die Messwert-Beschriftung über den Balken fehlt manchmal.
• Das Löschen der Historie geht entweder nur verzögert, oder nur teilweise. Es bleiben manchmal einige Intervall-Balken trotzdem stehen. Es sollten aber alle Werte 0 sein. Die verschwinden bei Umschaltung zwischen Cost und Energy der Seite Energy. Mancher Balken verschwindet nach einiger Zeit sogar von allein.
• Die Konsistenz zwischen Day und Week ist fehlerhaft, deren Summen sind unplausibel im Vergleich.
• Manchmal ist nur der letzte Balken eines Tages zu sehen, die früheren fehlen plötzlich.
• Anscheinend sind die abgerufenen Daten nicht zueinander angepasst als gemeinsamer Datensatz. Tuya behauptet, hier nur das anzuzeigen, was vom Adapter übertragen würde. Nur scheint das zeitlich nicht immer zusammenzupassen.

Zusammenfassung

• Insgesamt ist die Historienanzeige bei beiden Geräten in meinen Augen nur eingeschränkt oder gar völlig unbrauchbar, weil die Werte zueinander nicht plausibel sind und sich auch unmotiviert verändern. Nur als Show zu gebrauchen.
• Vor Beginn einer Messreihe sollten die Adapter einige Zeit stromlos gehalten werden, um unnötige/alte Daten zu löschen, sofern das funktioniert bzw. die Historie bewusst zu löschen, und auch den Erfolg zu kontrollieren.
• Es empfiehlt sich, sich nach dem Einstecken des Adapters und dem erfolgreichen Kontakt zwischen App und Gerät den Gesamtzählerstand (Total Energy Used bzw. Gesamtenergieverbrauch) zu notieren und den Strom zwischendurch nicht abzuschalten (das Ausschalten über Knopf oder App scheint unproblematisch).
• Im Zweifel ist der Gesamt Energiezähler-Stand (Total Energy Used bzw. Gesamtenergieverbrauch) der genauere Wert, die Historie kann nur ein grobes Bild über den Verlauf anzeigen, weil dabei auch Fehler passieren bzw. Intervalle fehlen.
• Bei Umschaltung der Historie zwischen Tag/Day und Woche/Week ist mit Fehlern oder Inkonsistenzen zu rechnen.
• Die Zuverlässigkeit bei kleinen Messwerten ist in Frage zu stellen. Die Toleranzwerte des Herstellers in der Tabelle oben sind nur theoretische Werte, weitere Fehler kommen hinzu.

Meine Erfahrungen insgesamt sind enttäuschend. Fehler, die auf inkonsistente Daten basieren, sind für solch ein Messgerät ein NoGo. Schlimm ist, dass selbst der Service von Conrad unwissend und überfordert ist, manchmal sogar auf andere Produkte verweist, die besser funktionieren würden. Der Support von Tuya (nur für App SEM6500) ist im Prinzip vorhanden, aber auch nicht so hilfreich, weil die alle Verantwortung für Fehler in der App auf den Hersteller des Adapters schieben.

(18.10.2022)

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© Reinhard Weiß 2022 - letzte Änderung: 19.11.2022 23:18 / 1